Bookshop
Anne Mosseri-Marlio Galerie Basel
September 04 - October 17 2015
photos Serge Hasenböhler
Wenn man das bekannte Paradigma von den „Sprachfunktionen“ des Linguisten Roman Jakobson frei aufgreift, könnte man die Ausstellung „Bookshop“ als konsequente Weiterentwicklung der langjährigen Experimente Delphine Coindets mit der poetischen Funktion der Sprache sehen. Ob in ihren Buchstabenskulpturen, den Sprechblasen aus Karton, den Papierkalendern oder den Gesprächsfragmenten in Wort und Schrift – stets wird die Materialität der sprachlichen Zeichen und Codes gezeigt, ohne jedoch irgendeine entzifferbare Botschaft erkennen zu lassen.
Häufig wurde der ikonische Charakter der Arbeiten von Delphine Coindet beschrieben, der sich insbesondere darin zeigt, dass ihre Werke sogar in der tatsächlichen Materialisierung wie synthetisch erzeugte Bilder wirken.
Auch wenn sich viele Arbeiten eindeutig dem Computerzeitalter, seinen Werkzeugen und seiner Ästhetik verdanken, hat sie sich doch deutlich vom Virtuellen gelöst und eine neue Verbindung zur Materie geknüpft – mit all ihrer Unwägbarkeit, Unvollkommenheit, Vertrautheit.
Einige Werke in „Bookshop“ sind von älteren Arbeiten inspiriert. Der Tunnel von 1994 mit seinen architektonischen Dimensionen erscheint hier wie dupliziert, in kleinerem Massstab, mit Strukturen versehen und demonstrativ dekoriert. In dieser Verkleidung erhält er die Gestalt grosser, farbiger Bücher, deren Stil mehr an die figurativen Gemälde Philip Gustons als an die Skulpturen von Tony Smith denken lässt.
Ebenfalls aus dem Bereich der digitalen Bildgestaltung kommen die aquarellierten Buchstaben. Sie bestehen sämtlich aus einem handgezeichneten Raster, dessen Kästchen in Aquarelltechnik ausgemalt sind. Wie bei einer digital erzeugten Punktmatrix ergibt sich aus dem Nebeneinander der farbigen Punkte ein Bild.
Jedoch auch hier vollzieht Delphine Coindet eine unerwartete Wendung. Der von Hand ausgeführte und von Lücken und Rissen durchzogene Zeichensatz ist absichtlich unlesbar und wird wohl nie als Kommunikationsmittel zum Einsatz kommen.
Und dann sind wiederum echte Bücher in Skulpturen eingebaut, ausser Gebrauch also, „hors d’usage“, wie die anderen linguistischen Gegenstände/Zeichen, die diesen enigmatischen „Bookshop“ bevölkern.
Übersetzung des französischen Original-textes von Elisabeth Wetterwald